art Profil, Heft 99/2013

Der russischen Maltradition mit Seele und einem ästhetischen Anspruchsdenken verpflichtet.                 Die Kraft des souveränen Handwerks: Berührende Malerei

Natalia Simonenko: Berührende Magie der Farben

Ausstellung vom 1. September bis zum 20. Oktober 2013 im Schloss Altenhain

„Ich male die Farbe des Klanges“, sagt die Künstlerin. Nicht weniger, sondern vielmehr ist es, was die Betrachter in den Bildwerken der russischen Künstlerin Natalia Simonenko entdecken: Die rauschhafte Sinnlichkeit, ein Fest der Farben, malerische Opulenz sowie eine genaue Beobachtung, welche die Künstlerin in realistisch anmutende Abbildungen der Menschen, von Landschaften sowie Blumen einfließen lässt. Durch die impressionistische Pleinair-Malerei beeinflusst, entwickelt die Künstlerin eine, stark von der russischen Maltradition geprägte Handschrift. Ihre Werke strahlen jene überbordende Warmherzigkeit sowie eine, die warmen Farben dominierende Skala aus, die sich insbesondere in ihren Blumen- und Zirkusbildern zu einem wahren Farbrausch entwickelt.

Natalia Simonenko ist in Russland, in St. Petersburg geboren. Sie studierte grafische Kunst und danach Malerei an der dortigen renommierten Kunstakademie I.E.Repin mit Abschluss im Jahr 1999. 2001 wurde sie in die Vereinigung russischer Künstler aufgenommen. Seit ihrer Heirat Anfang 2011 pendelt sie zwischen St. Petersburg und Stuttgart. Ihre Bilder werden in Russland, England, Deutschland, Frankreich, den USA und anderen Ländern von privat und von öffentlichen Institutionen angekauft. Ihre Ausstellungen finden dementsprechend großes Interesse.

Natalia Simonenkos Werke überwältigen uns durch den wohldosierten farblichen Kontrast, welchen die Künstlerin zwischen Vordergrund und dem Hintergrund aufleuchten lässt. Im Bild „Vor dem Auftritt“ sehen wir eine in weiß gekleidete Tänzerin bei Dehnübungen vor ihrem Auftritt. Im Halbprofil betrachten wir die junge Frau im Spagat, ein weißes Kleid umfließt ihren Körper und fällt über einen Tisch, auf dem die Frau ihre Übungen spannungsvoll absolviert. Eigentlich rührt der Eindruck des Luftigen, aber dennoch Angespannten daher, dass die Tänzerin scheinbar fast in der Luft zu schweben scheint, denn die Unterlage ist kaum als solche zu erkennen. Unsere Wahrnehmung lässt sich von der nuancenreichen Farbenvielfalt sowie dem Kontrastes zwischen Weiß und den dunklen Farben täuschen. Die faszinierende Wirkung des Bildes liegt im Verbund der Farben des Hintergrundes, der sich mit dem Weiß des Kleides ein faszinierendes Gegeneinander leistet. Der diffuse Raum zeigt  noch eine weitere typische malerische Stilistik der Künstlerin: In einer breiten Wischtechnik bleibt der Hintergrund des Raumes - und damit auch der des Bildes - unscharf, fantasievoll und farblich offen. Dies verkürzt die Perspektive, eine wirkliche Distanz stellt sich nicht ein, das heißt, die wahrnehmbare Größe dieser Figur wird vergrößert, weil die Tiefe des Raumes verschwindet und sich so dem Vordergrund angleicht.

Die Wischtechnik bewährt sich auch bei Blumenbildern in berührender Weise: Das Bild „Flieder“ schwankt zwischen Abstraktion, zwischen Detail und Figuration. Der unscharfe Hintergrund korrespondiert zwingend mit dem so pointierten Vordergrund. Die lilafarbigen Pflanzen gewinnen dadurch eine starke Pracht an variablem Ausdruck des Naturhaften, so dass der Eindruck des elementaren, wesenhaften Erfassens der Blumen und die Eleganz der Farbanordnung nicht nur einer strukturellen Form der Pinselführung zu verdanken ist, sondern dass diese Maltechnik auch eine ganz eigene Ästhetik, eine Schönheit, exemplarisch und ohne jegliche weitere Erklärung zeigt.

Natalia Simonenko vermag die Seele in ihren Werken zu verankern oder auch zu entlocken. Beides stimmt, denn beispielsweise im Werk „Zwielicht“ ist die Ansicht unzweifelhaft unklar. Und das bleibt sie auch, denn so schön diese Lagune auch ist - im doppelten Sinne ist auch dies mehr als „zwielichtig“. Die Künstlerin vermag ihre innere Gefühlswelt, eine bewusst kreierte Weite, in die Bilder emotional zu integrieren. Das Leuchten des Schiffes auf dem Meer, hindurchgetrieben zwischen einem Häusermeer, aus dem einzelne Lampen Licht spenden, im Verbund mit anderen, in der Ferne vor einer Kathedrale liegenden Schiffen: Ein romantischeres Bild ist kaum vorstellbar. Natalia Simonenkos Bilder sind nicht einfach nur „schön“, sondern sie beinhalten eine Genauigkeit des Ahnungsvollen, ein Wissen um malerische Wirkung sowie die handwerkliche Souveränität, um in ihren Bildern diese Art der Ästhetik überhaupt aufflackern zu lassen. Damit diese Ästhetik nicht kitschig wird, sondern authentisch bleibt, ist malerische Empathie, innere Sehnsucht und im Grunde ein übergreifendes Denken - nämlich das Erspüren unterschiedlicher Arten von Kunst wie Malerei, Musik, Tanz, Theater etc. vonnöten: Diese Affinität zu verschiedenen Künsten steht der Künstlerin in hohem Maße zur Verfügung. Und deshalb sind ihre Bilder auch berührend, weil sie über eine Oberflächlichkeit des Schönen weit hinausreichen.        

 

 Michaela Buchheister, art-Profil Heft 99/2013