Laudatio, Vernissage BStU 26.04.2012

Ausstellung: Natalia Simonenko, Malerei, BStU-Außenstelle Dresden, 26.4. 2 – 20.7.2012
Laudatio gehalten von Frau Karin Weber, Galeristin und Mitglied des Vorstands des Neuen Sächsischen Kunstvereins e.V. Dresden, bei der Vernissage am 26.4.2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
immer wieder werde ich mit der Frage konfrontiert:Was ist Kunst? Picasso meinte, er würde es bestimmt nicht verraten, wenn er es wüsste. Joseph Beuys behauptete, jeder Mensch sei ein Künstler. Es gibt auf die Frage demzufolge viele Antworten. Da heißt es u.a. Kunst sei Erkenntnis, Kunst sei Wertung, Ideologie, Selbstverwirklichung, Ausdruck des Unbewussten und des Gefühls, der Phantasie oder des Schmuckbedürfnisses. Künstlerische Tätigkeit wird als magisches Ritual, als Spiel oder Vergnügen, als Waffe, Nachahmung, Erfindung, Dichtung und Sprache bezeichnet. Für Natalia Simonenko ist Malerei wie ein Rausch, in dem sich eigene Energien sichtbar manifestieren. Kunst hilft leben, das weiß sie aus eigener Erfahrung. Kunst gibt Kraft. Die Malerei ist ihr paradiesisches Eiland, in dem sie sein darf, wie sie fühlt. .Die kleine in sich geschlossene Welt gestalteter Leinwände, dieser lebendige Mikrokosmos von Linien und Farben, Rhythmus und Struktur, Form und Symbolgehalt wurde zum Kraftquell und unvermittelt zum beseelenden Spiegel eigener Befindlichkeit für Natalia Simonenko. Ein reiches Potential an Phantasie und entschlossenem Schaffensdrang brach sich in den letzten Jahren Bahn.Sie ist fasziniert von Farblängen, von Lichtgeweben, vom atmosphärischen Sfumato. Persönliches Lebensgefühl ist in die Farbmaterie immer eingewoben. Natalia Simonenko erliegt der  befreienden Alchemie der Bildschöpfung. Sie schwelgt in der belebenden Kraft von Farben, getreu dem überlieferten Ausspruch Picassos „Kunst wäscht den Staub des Alltags von der Seele.“ Sie sieht und malt und träumt, verloren an ihre Malmittel. Die Bilder strahlen ein vielstimmiges, harmonisches Gleichgewicht aus, versetzen den Betrachter in einen Zustand friedlicher Freude und bewirken eine innere Euphorie, die zu einer schlagartigen Erholung des Lebensgefühls führt. Wenngleich Natalia Simonenko lustbetont arbeitet, unterwirft sie sich doch instinktiv einer bildnerischen Disziplin im Kompositorischen. Nichts ufert motivisch wahllos aus. Und ihre Bilder beruhen auf keinerlei wissenschaftlicher Theorie, sondern ausschließlich auf der Beobachtung, auf dem Gefühl, auf der Erfahrung ihrer Sinne, denn Wissen tötet im Allgemeinen den Instinkt! Farben besitzen ein Eigenleben. Ihre Schwingungen besagen Glück, Leidenschaft, Liebe, Seele, Blut und auch Vergänglichkeit.Ausgestattet mit einem sensiblen Gespür für die Strahlkraft von Farben ist sie Atmosphärischem auf der Spur, vermählt sie die Erde mit dem Himmel, den Himmel mit dem Wasser, lässt sie die Bildhäute atmen. In ihrer Arbeit behaupten sich Empfindungen, nicht abgestumpft von jenen Horizonten, jenen Landschaften, inneren und äußeren, die so viele Eindrücke und Spuren hinterlassen haben. Sie weiß um die Zerbrechlichkeit von Träumen, um des Lebens wunderliche Launen. Und ihr alles und alle versöhnendes Stichwort heißt Harmonie, ohne Abgründe und Dissonanzen zu leugnen. Natalia Simonenko hat ganz einfach Mut zur Kunst eigener Klangfarben. Unbeeinflusst von den Moden des Kunstmarktes erzählt sie von der Schönheit in der Welt, vom Licht, das diese Schönheit beseelt. Sie bekennt sich zu ihren Wurzeln, zur russischen Schule, zu Schischkin und Repin, zu einem Realismus, der in der Nähe der Licht- und Luftmalerei des Impressionismus angesiedelt ist. Es ist schwer, oder vielmehr die seltene Gabe, den inneren Ausdruck in einer bezwingenden, wohltemperierten Sprache mitzuteilen, und zwar nicht durch ein Ungefähr oder Übertreibung, sondern durch eine gekonnte Orchestrierung der Mittel in der Kunst, die alles enthält, was das eigene Leben ausmacht.Zeit scheint gleichsam gefroren in der Licht trinkenden Malerei von Natalia Simonenko. Momentaufnahmen einer intensiven Beobachtungsgabe von Welt verwandeln sich in phantasievolle, atmende Kompositionen. Erlebtes, Mythologisches und Geheimnisvolles bleiben gegenwärtig. Das Unterbewusstsein wird aktiviert und fließt in den bedächtigen Malstrom mit ein, mit dem sie Blumen entdeckt, den Sommer findet, durch Städte streift, Gesichter belauscht. Die traumwandlerische Sicherheit, mit der die Künstlerin aus der soliden Handwerklichkeit eines Nuance versessenen Augenmenschen Kapital des Vielschichtigen schlägt, lässt Bildwerke von faszinierender Stimmigkeit und Sinnlichkeit entstehen. Das Verborgene wächst ins Sichtbare, in zart vibrierende, schwingende Licht-Farb-Räume. Sie wehrt sich gegen die noch allzu verbreitete Auffassung, dass ein Künstler arm und leidend sein muss und Großartiges zu vollbringen. Ein Künstler hat auch ein Recht auf Lebensglück. Zirkus liebt sie. Hier sind die Facetten von Schönheit bis Tragik eindringlicher als im Theater zu finden. Sie ist fasziniert von der Figur Harlekin, wie Fellini oder Picasso es auch waren. Porträts sind für sie im Profil reizvoller, da verinnerlichter. Auf den Landschaften tauchen immer wieder Yachten auf, Segelboote, die für die Künstlerin zu einem Symbol von Freiheit und den vielen unerschlossenen Möglichkeiten im Leben avancieren. Sie war in Montenegro mit seinen düsteren Bergkuppen, in Dubrovnik und Bayreuth mit seinem süßen Glamour, in der kalten Stadt Stockholm und im goldenen Prag. Sonnenblumen sind ihre Lieblingsblumen, als Symbol des Lebens schlechthin. Blumen sind überhaupt eine wunderbare Liebeserklärung.Es kommt in der Kunst darauf an, etwas anzusprechen, aber nicht auszusprechen, etwas anklingen zu lassen, damit es im Betrachter ausklingen kann. Das weiß Natalia Simonenko.Sie wurde 1970 in Leningrad geboren. Zeichnend und malend erkundete sie die Welt. Für sie war es klar, Künstlerin zu werden. Aber ihre Eltern, zwei Ingenieure, hatten anderes mit ihr vor, wollten ihr den steinigen Weg ersparen und ließen sie, sich in die Pädagogische Fakultät einschreiben. 1999 schloss sie dennoch die Repin-Kunstakademie ab und wurde 2001 Mitglied der Vereinigung russischer Künstler. Seitdem reist sie durch die Welt, widmet sich mit Hingabe der Pleinairmalerei, der Schönheit der Natur, dem Licht, dem Meer, den Bäumen, dem Porträt und erliegt zuweilen auch märchenhaften Stimmungen. Auf einer solchen Reise nach Rhodos lernte sie ihre Liebe kennen, die sie nach Deutschland geleitete.Sie lebt ganz einfach romantische Gefühlsimpulse aus. Sie liebt es zu komponieren und sich überwältigen zu lassen. Ihre Bilder beschreiben die drei Elemente Wasser, Luft und Erde im Zusammenklang der Farben, mit ihrem inneren Feuer. Der Brücke-Künstler Ernst Ludwig Kirchner fand bewegende Worte für das Unfassbare, was man Kunst nennt, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte, da sie mich unvermittelt in gewisser Weise auch an das Kunst-Wollen von Natalia Simonenko erinnern: „Das große Geheimnis, das hinter allen Vorgängen und Dingen der Umwelt steht, wird manchmal schemenhaft sichtbar oder fühlbar, wenn wir mit einem Menschen reden, in einer Landschaft stehen oder wenn Blumen und Gegenstände plötzlich zu uns sprechen. Denken Sie, ein Mensch sitzt uns gegenüber, und plötzlich erscheint in dem Gespräch über seine eigenen Erlebnisse das Unfassbare. Es verleiht seinen Zügen seine ureigenste Persönlichkeit und erhebt sie doch gleichzeitig über das Persönliche. Wenn es mir gelingt, mit ihm in dieser, ich möchte fast sagen Ekstase, in Verbindung zu treten, kann ich ein Bild malen und doch ist dieses, so nahe es ihm selbst ist, eine Umschreibung des großen Geheimnisses, und es stellt im letzten Grunde nicht die einzelne Persönlichkeit dar, sondern ein Stück des in der Welt schwebenden Gefühls...“Das mag für manchen etwas esoterisch klingen, wird aber deutlich, wenn man von Bild zu Bild in dieser Ausstellung schreitet. Die Arbeiten atmen Stille wie Bewegtheit. Sie sind Ausdruck dessen, dass es möglich ist, dem Alltag durch die Kraft der Farben zu entfliehen. 
Karin Weber26.04.2012